Stehsatz

Hommage an einen großartigen Stempelschneider
Schriftanalyse der Stempel Garamond LT Std

Claude Garamont (um 1499 – 1561) war der Schöpfer der berühmten Garamond-Schriften. Sein Name wird mit t geschrieben, die Schriften mit d. Die Garamond ist DIE Überantiqua und die meistverbreitete französische Renaissance-Antiqua. Es gibt unzählige Abwandlungen dieser Schrift, ein sehr gelungener Nachschnitt ist die Stempel Garamond. Dieser wurde 1925 von der D. Stempel AG in Frankfurt am Main geschnitten.

Eine komplexe Geschichte

Das Werk besteht aus zwei Bänden, welche in einem Schuber verwahrt werden. Das erste Buch behandelt die Geschichte und das Leben Garamonts sowie die zahlreichen anderen Nachschnitte. Die geschichtliche Recherche von Garamont war so komplex, dass mehrere Aufenthalte in Bibliotheken und Museen notwendig waren. Es war sogar möglich, die Original-Matrizen von Garamont im Plantin-Moretus-Museum in Antwerpen zu begutachten. Den Schluss bildet ein Kapitel über die Garamond-Schriften in heutiger Zeit.

Das zweite Bucht beinhaltet die Analyse der Einzelzeichen. Am Anfang wurden grundlegende Dinge wie die Schriftfamilie erklärt und die Stempel Garamond im Bleisatz mit der digitalisierten Stempel Garamond verglichen. Den Hauptteil bildet die Analyse der Einzelzeichen. Am Schluss werden noch mikrotypografische Themen behandelt.

Unser Buch – Verbindung von Tradition und Moderne

Es war uns wichtig, Tradition mit Modernität zu verbinden. Der Schuber besitzt in der Mitte ein Loch, durch welches der im Bleisatz angefertigte Nyloprint auf dem Buchdeckel des ersten Buches sichtbar wird. Beide Bücher und der Schuber bestehen aus dem selben leicht gelblichen Stoff. So fügt sich das ganze zu einem Gesamtwerk zusammen. Die Bücher wirken schlicht und modern, wodurch sich die roten Akzente noch mehr hervorheben. Den Bezug zum traditionellen schafft das ornamentale Vorsatzpapier. Der offene Buchrücken der Analyse mit der roten Bindung soll das Konzeptionelle und Analytische dieses Teils wiederspiegeln. Die großen Kapitel wurden durch Leerseiten voneinander getrennt. Die Kapitel des ersten Buches unterscheiden sich durch ihre Farben. Orange für die Geschichte und Nachschnitte, Blau für den heutigen Teil. Das zweite Buch benutzt nur die typografische Auszeichnungsfarbe Rot. Die Kapitel- und Überschriftenseiten wurden mit großen Farbflächen gestaltet. Für den Fließtext wurde die Stempel Garamond LT Std Roman in 10 pt benutzt, für die Bildunterschriften und Quellenangaben die Meta Plus, eine humanistische Linear-Antiqua.

Lea Roth, Lars Reiners, Nadine Mayer, Benny Lämmel

 

Bleisatz und typografische Kleinode
Labore et Constantia – Besuch bei Plantin-Moretus in Antwerpen

Im Juni stand die diesjährige Studienfahrt des Fachbereiches Mediadesign der MD.H München an. Ziel der teilnehmenden 31 Studierenden war die belgische Stadt Antwerpen, genauer gesagt das dortige Plantin-Moretus-Museum. Das imposante Gebäude, das als erstes Museum auf die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO kam, beherbergt zwei der ältesten Druckpressen der Welt – gefertigt um das Jahr 1600 –, eine Vielzahl an historischen Lettern und Gußmaterial, 154 Inkunabeln sowie über 600 Handschriften, die ältesten aus dem 9. Jahrhundert.

Benannt ist das Museum nach zwei wegweisenden Typografen aus den frühen Tagen der Druckkunst, dem Wegbereiter des Kommunikationszeitalters. Christophe Plantin, ein Franzose, gründete die Druckerei und Schriftgießerei im 16. Jahrhundert, sein Schwiegersohn Jahn Moretus übernahm sie, ein Nachkomme desselben verkaufte sie schließlich an die Stadt Antwerpen, die im Jahre 1876 dann ein Museum daraus machte. Plantin zeichnete sich durch eine bis dato kaum erreichte Hingabe und Sorgfalt aus, seine Arbeiten bestechen durch eine enorme Qualität und Präzision, durch die Anwendung vorzüglicher Druckschriften, wie etwa Material von Garamont und Granjon, aber auch durch den unbedingten Anspruch an das Druckergebnis. Der Wahlspruch Platins, »Labore et Constantia« (zu deutsch »Arbeit & Ausdauer«), zeugt vom Selbstverständnis, das seiner Person und seiner Arbeit zugrunde lag.

Wie aus einer anderen Zeit: Museum Plantin-Moretus

Die Führung durch die historische Druckerei und die Schriftgießerei mag vielen Studierenden wie eine Zeitreise ins 16. Jahrhundert erschienen sein. Die Schriftgießerei umfaßte 16.000 Matritzen, 4500 Stempel und 62 Gußformen. Das Haus hatte dabei selbst keine Schriften entworfen, sondern diese bei den großen Schriftschneidern des 16. Jahrhunderts erworben. Die sehr gut erhaltene Druckerei, die Vielzahl an historischem Guß- und Satzmaterial, machten die Entstehung von Bleimatritzen, -sätzen, sowie deren Anwendung visuell nachvollziehbar, ja im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar.

Inkunabeln und handschriftliche Meisterwerke

Ein Tag im Museum erscheint im Nachhinein anhand der Vielzahl an typografischen und handschriftlichen Schätze, die es zu entdecken gab, kaum ausreichend. So bot sich uns Gelegenheit die weltberühmte Polyglottbibel (Biblia Polyglotta) Plantins, zu betrachten. Das 8 Bände umfassende Meisterwerk war in den Jahren 1568–1573 unter höchster typografischer Sorgfalt in Antwerpen entstanden und zugleich in den Sprachen Aramäisch, Griechisch, Hebräisch, Latein und Syrisch, verfasst worden.

Der Gutenbergsaal im ersten Stock des öffentlich zugänglichen Teiles des Gebäudes hütet einen wahren Schatz der Inkunabelzeit. Eine der 14 noch existierenden »36-zeiligen Bibeln«, die mit dem Original-Letternmaterial von Johannes Gensfleisch zur Laden (Gutenberg) von Albrecht Pfister in Bamberg vor dem Jahre 1461 gedruckt worden waren. Das Museum »Plantin-Moretus« ist zu Recht stolz auf seine Ausgabe, schließlich ist sie die besterhaltene Version Europas. Der feine Umgang mit dem Satzmaterial, die unterschiedlich, perfekt ausbalancierten Zeichenbreiten, die sich zu einem andächtigen dunklen Satzbild, im Stile der alten Schreibmeister fügen, hinterlassen auch heute noch bleibenden Eindruck.

Auch die handschriftliche Prager »Wenzelbibel« aus dem Jahre 1403 darf nicht unerwähnt bleiben. Das Exemplar war unvollendet geblieben und belegt die damalige Vorgehensweise des Schreibens und Einfügens von Illustrationen.

Die »Korrekturstube als Seele« einer jeden Druckerei

Balthasar I. Moretus, der Sohn Jahn Moretus’, pflegte eine enge Freundschaft mit Peter Paul Rubens. Zahlreiche Werke von ihm sind im Hause zu entdecken. Beeindruckend sind  vor allem seine Titelentwürfe, die die Wende in der Titelgestaltung in der Officina Plantiniana, so hieß die Druckerei seinerzeit, bewirkten.

»Die Seele einer Druckerei« sei die Korrekturstube; dies soll Christophe Plantin immer wieder betont haben. Im Antwerpener Haus ist diese gut erhalten und mag so manchem heutigen Gestalter aufgrund der Größe des Eichentisches die Bedeutung, die einer fehlerfreien Drucksache beizumessen ist, im Zeitalter der Bits und Bytes wieder vor Augen geführt haben.

Das Beste zum Schluss: die Originalmatrizen Garamonts

Nach Voranmeldung kann man auch die Originalmatrizen Garamonts in Augenschein nehmen. Für mich ein unbeschreiblicher Höhepunkt des Antwerpener Besuchs. Dieser für jeden Typografen unvorstellbare Schatz ist im Archiv des Hauses einsehbar – man darf ihn sogar tatsächlich in eigenen Händen halten. Ehrfürchtig, versteht sich.

Alles in allem ein lohnender Besuch voller Inspiration und respekteinflößender Historie, den sich kein Typografiebegeisterter entgehen lassen sollte – auf die für einige Teile der Sammlung notwendige Voranmeldung sei hier nochmal hingewiesen. Christophe Plantins Motto »Labore et Constantia« ist in dem einzigartig erhaltenen Gebäude bis heute lebendig geblieben.

(Bildmaterial Lars Reiners)