Stehsatz

Bleisatz 1, Werkstatt-Führerschein mdh München
Werkstattführerschein im Sommersemester 2024

Im diesjährigen Sommersemester war der »Werkstattführerschein« — eine Einweisung in die Werkstatt, die zur selbständigen Benutzung derselben berechtigt und mit einer experimentellen Arbeit abschließt — unter dem Motto »Farbe & Form« ausgeschrieben. Entstehen sollten spielerische Versuche, nicht notwendigerweise an Texte gebunden, eine freie Studie über und mit Material, Form und Farbe.

So offen das Thema war, so vielseitig auch die Ergebnisse: Schriften im Überdrück, aber auch kunstvolle Formen, Arbeiten mit Musterstrukturen standen am Schluß Arbeiten mit unterbautem Blindmaterial gegenüber. In einer Arbeit wird das so genannte Zahlenmeer, mit dem Briefumschläge bedruckt sind, um sensible Informationen unlesbar für Außenstehende zu machen, plötzlich zum Inhalt erhoben, eine andere formt mit üblicherweise untergeordneten Elementen wie Strichen eigenwillige Muster.

Die Studierenden Adisa, Bella, Christina, Cloud und Maria nutzten die Freiheiten und haben das Thema mit Phantasie um- und im Wortsinne aus Blei gesetzt.

Fotos: Sybille Schmitz
Bachelorarbeit: Katharina Lutz

In dieser Arbeit, die das persönliche Ziel der Zurückgewinnung von Entschleunigung verfolgt, wird sich in einem Versuch, den »Rhythmus des Lebens« und damit die Kreativität zu beleben, mit analogen gestalterischen Methoden im Rahmen eines Selbstexperiments in der Druckwerkstatt auseinandergesetzt. Dadurch soll der Beschleunigung des Alltags des Grafikdesigners, der sich vorwiegend im digitalen Raum aufhält, entgegengewirkt werden.

Die Ergebnisse und Erkenntnisse der Arbeit, sollen allen Menschen, die der Beschleunigung ebenso entkommen möchten und die sich für grafische Arbeiten interessieren, zeigen, ob das Ziel der Suche nach Entschleunigung und neuer Modernität – gemäß der Vermutung – durch analoges Experimentieren zu erreichen ist.

Um die Durchführung der praktischen Arbeit, die sich auf umfassende Forschungsarbeit zur gesellschaftlichen und gestalterischen Thematisierung der Entschleunigung und Beschleunigung sowie analogen und digitalen Arbeiten im Grafikdesign auseinandersetzt, an dieser Stelle zu erklären, muss kurz das Vorgehen im Experiment beschrieben werden. Zu Beginn entstehen bewusst und ohne konkrete Grenzen, um Materialbewusstsein zu gewinnen und dadurch über die Bedienung aller Sinne Inspiration zu erfahren, Versuche mit Grundformen und Farbe im Druck. Diese führen schließlich zur Entwicklung der im Zentrum stehenden Visualisierungsidee eines abstrakten Alphabets.

Das Alphabet der Entschleunigung von A bis Z, dessen Einzelzeichen aufwendig händisch entwickelt werden, lädt auf eine visuelle und haptische Auseinandersetzung mit Entschleunigung ein. Es legt den Fokus auf die Formensprache und rückt dabei den physischen Entstehungsprozess, der maßgebliche Einfluss auf Wirkung und Optik der grafischen Endformen nimmt, in den Vordergrund.

Die Arbeit gibt es auf der Werkschau am 09. März 2023 in der Druckwerkstatt der MD.H in der Neumarkter Strasse 22 zu sehen.

Fotos: Katharina Lutz, Redaktion: Sybille Schmitz
Visualisierung (1. Semester): Julia Floth
7 Todsünden – ein Leporello aus Scherenschnitten

Die sieben biblischen Todsünden sind naturgemäß auch in der Kunst ein regelmäßig wiederkehrendes Motiv. Sie wurden und werden nicht selten auf drastische oder dramatische Weise als Inspiration genutzt und dabei in unterschiedlichster Art dargestellt. Ich habe die sieben Todsünden in der Form eines schwarzen Leporellos veranschaulicht, mit sieben weißen Scherenschnitten, die in das Leporello eingespannt sind. Die meisten Motive enthalten ein Bild im Positiv- und auch im Negativraum.

Im Bild zu »Neid« wird eine muskulöse Person von einer anderen neidvoll beobachtet. Eine Frau, die von zwei Händen ergriffen wird, welche gleichzeitig ihre Haare und Augenbrauen darstellen, symbolisiert die Todsünde »Wollust«. Rechts daneben ist die Todsünde »Trägheit« dargestellt. Hierbei werden zwei Füße gezeigt, die einen Apfel umschließen. Dieser steht für die Entdeckung des Trägheitssatzes durch Isaac Newton. Der Scherenschnitt ganz rechts verkörpert die Todsünde »Hochmut«. Er wird durch eine Person mit langer, nach oben gestreckter Nase gezeigt. Auf der Rückseite findet man die Todsünden »Zorn«, »Habgier« und »Völlerei«. Linkerhand sieht man eine wütende Person mit scharfen Zähnen, die einen Jungen mit hochgezogenen Schultern anschreit. »Habgier« in der Mitte zeigt zwei Hände, die nach einem Diamanten greifen. Die Hände stellen gleichzeitig sogenannte diebische Elstern dar. Bei »Völlerei« wird das Profil einer Person mit weit geöffnetem Mund gezeigt. Zusammen mit der Zunge wird ein zweiter Kopf geformt.

Bei der Inszenierung habe ich das Leporello mit rotem Licht angestrahlt, um den Tod, der auf die Todsünden folgt, noch deutlicher zu machen.

Fotos: Julia Floth
Initialen Teil 2: Zum Entwurf zum Druck

Im Initialenkurs von Peter Gericke sehen und verfolgen die Studierenden den langen Weg vom Entwurf der Initiale bis zum fertigen Druckwerk aus der Handpresse.

Es beginnt mit der klassischen Herangehensweise – dem zeichnerischen Entwurf (siehe Blogeintrag vom 20.9.2012). Hierauf folgt die Reinzeichnung, die viel Augenmaß, eine ruhige Hand, Geduld und Sorgfalt verlangt – erschwerend kommt hinzu, dass jede Farbe eine eigene Zeichnung verlangt, die sich präzise und  passgenau mit den andersfarbigen Elementen zu einem fehlerfreien Gesamtbild einfügen muss. Bei diesem diffizilen Prozess ist die kritische Begleitung eines erfahrenen Auges, nicht selten die praktische Unterstützung einer meisterlichen Hand wahrlich eine unschätzbare Hilfe.

Im zweiten Abschnitt wird mit Hilfe dieser Vorlagen die Herstellung der sogenannte Nyloprints für den späteren Druck vorbereitet. Die Nyloprints selbst stellt ein externer Druckservice gemäß der Reinzeichnung her. Der eigentliche Druck beginnt, wie auf den Fotos zu sehen, mit dem Ablösen der alten vorherigen Nylos, die in der Regel für zukünftige Projekte aufgehoben werden – sie sind schließlich für die Studierenden kaum wieder herzustellende Unikate.  Im Anschluss wird der Unterbau angepasst, dessen Breite auf die Größe des Nyloprints und dessen Höhe auf die Schrifthöhe justiert werden muss. Schließlich werden die Nylos montiert, die Abziehpresse eingerichtet und die Farbe gemischt. Wie ein erfahrender Buchdrucker weiß, wird dabei stets etwas Weiß beigemischt, wodurch eine gleichmäßigere, flächigere Farbwirkung entsteht. Nun kann endlich, nach vielen Stunden des Entwerfens (und Verwerfens), des sorgsamen Zeichnens, der externen Fertigung der Druckvorlage, des Montierens und Farbmischung der Druck beginnen.

Nach dem ersten Farbauftrag wird das Blatt zum Trocknen aufgehängt, dann folgt der Druck der nächsten. Um die Passgenauigkeit der einzelnen Druckschritte zu erreichen, greift der erfahrene Drucker nicht selten auf die Technik des Drehpunktschließens zurück. Etwaige kleinere Ungenauigkeiten können so ausgeglichen werden.

Auch hier schafft es Herr Gericke wieder, die im digitalen Zeitalter Aufgewachsenen für klassische, althergebrachte Fertigkeiten zu interessieren und für das haptische, handwerkliche Erlebnis zu begeistern.