Stehsatz

Awesome Workshop with amazing people. Buckdruckwerkstatt München, meh, Prof Sybille Schmitz
Awesome workshop with amazing people

Die beiden Studierenden Xueqi Huang und Yibei Li aus Changsha in China haben ihr Auslandssemester in Europa genutzt, um nach München zu reisen und die dortige Druckwerkstatt zu besuchen. Auf Empfehlung eines Professors der Hunan Normal University – mit der die MD.H kooperiert – verbanden die beiden den Kurztrip von Tschechien nicht nur zum obligatorischen Besuch des Oktoberfestes, sondern auch um sich den klassischen Druck mit Bleilettern anzusehen.

Mit erfrischend unbekümmerter Verve und einem beachtlichen handwerklichen Geschick eigneten sich die beiden Chinesinnen – die einem gänzlich anderen Kulturkreis und Schriftsystem entstammen – in erstaunlich kurzer Zeit wesentliche Grundlagen im klassischen Hochdruck an.

Dabei nutzten Sie nicht nur unser Plakatmaterial, sondern setzten sich auch mit dem klassischen Satz, mit herkömmlichen kleinen Bleilettern (Monotype Univers Regular 12 p) auseinander. Der Druck erfolgte im Anschluss im Irisdruck, entstanden sind so zwei farbenfrohe Plakate.

Katharina, meine Mitarbeiterin, und ich waren erstaunt ob der Hingabe und Detailgenauigkeit unserer Gäste. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es ein auch für uns sehr bereichernder Austausch war; oder anders formuliert: »Awesome workshop with amazing people«.


Fotos: Katharina Lutz, Sybille Schmitz, Xueqi Huang
Unikatbuch (4. Semester): Sophie Feichtner
Das verräterische Herz

Mein Unikatbuch beschäftigt sich mit der Kurzgeschichte »Das verräterische Herz« von Edgar Allan Poe. Es ist in Form eines kleinen Buches gestaltet und versteckt sich in einem Schuber, der mit einem Papier mit Holzstruktur kaschiert ist und die Dielen in der Geschichte symbolisiert. Jene Dielen, unter denen die Leiche bzw. die Leichenteile des alten Mannes liegen — auch jenes verräterische Herz, das der Protagonist bei dem Verhör durch die Polizeibeamten lauter und lauter schlagen hört.

Im Inneren des Buches wird die Geschichte inszeniert, indem die Stimmung der Erzählung aufgegriffen und der Wahn des Protagonisten unter anderem durch die Rhythmik des Textes visualisiert wird. Dafür habe ich verschiedene Schriftschnitte und Textstrukturen verwendet. Die Gestaltung des Buches, das schlicht in Schwarz und Weiß gehalten ist, nimmt im Verlauf der Geschichte immer düsterere und unheimlichere Züge an, während der Wahnsinn des Protagonisten immer drastischer dargestellt wird.

Die Inszenierung des Wahns soll den Leser tief in die beklemmende Atmosphäre der Geschichte ziehen und die psychische Abwärtsspirale des Protagonisten intensiv erlebbar machen.

Fotos: Sophie Feichtner, Redaktion: Sybille Schmitz
Freie Schriftarbeit (1. Semester): Franzi Wolf

Aufgabenstellung im ersten Semester war es, eine eigenständige Schrift künstlerisch oder kalligrafisch zu entwickeln. Die Studentin Franziska Wolf entschied sich hierbei für die Bearbeitung von Styropor-Platten. Nach sorgfältiger Überlegung und einer präzisen Skizze schnitt sie die Buchstaben anhand selbstgefertigter Schablonen aus. Dabei musste auf Details geachtet und gleichzeitig das Gesamtobjekt im Auge behalten werden, um ein stimmiges Bild von jeder Perspektive zu gewährleisten. Zum Schluss wurden die Buchstaben noch mit feinem Schleifpapier bearbeitet.

Das Wortpaar BLACK und WHITE lag recht schnell auf der Hand, weil beide Wörter gleich viele Buchstaben haben. Das Besondere an dieser freien Schriftarbeit ist, dass von unterschiedlichen Perspektiven beide Wörter zu sehen sind. Stellt man sich rechts von der Buchstabenreihe hin, erkennt man das Wort WHITE. Blickt man jedoch die Buchstaben von vorne an, so ergibt sich das Wort BLACK. Um das Spiel mit Distinktion und Zusammengehörigkeit noch weiter zu treiben, wurden die Buchstaben für das Wort WHITE in schwarz und die Buchstaben für das Wort BLACK in weiß lackiert.

Fotos und Redaktion: Sybille Schmitz
Kalligrafieübung (1. Semester): Zoe Leininger

Zoe Leininger widmet sich dem Alphabet frei von Vorgaben und Konventionen über eine Serie expressiver Formstudien. Sie nutzte hierfür große Pinsel, Acrylfarben und Leinwand.

Im Wechselspiel zwischen Material, Farben, schneller und langsamer Pinselführung, sanftem und druckvollem Auftrag entstanden unterschiedliche Formationen aus Buchstaben und freien Linien, die ein harmonisches Grundmuster prägen. Dem betrachtenden Auge steht es frei, hier im Detail zu entziffern, zu dechiffrieren oder auch nur darüberschweifend den dekorativen Aspekt zu goutieren. Schlußendlich entstand eine Reihe imposanter Bilder, die bewusst die Nähe zu frühgeschichtlichen bzw. antiken Steintafeln suchen.

Fotos: Sybille Schmitz
Unikatbuch (4. Semester): Luca Tommaso Stimming

Luca Tommaso Stimming widmet sich in seinem Unikatbuch der Geschichte »Das verräterische Herz« von Edgar Allan Poe.

Darin bringt der psychisch angeschlagene, äußerst erregbare bzw. mehr und mehr erregte Ich-Erzähler einen alten Mann, der mit ihm in demselben Haus wohnt, um. Der alte Mann hat eine körperliche Besonderheit, ein eigentümliches Auge — dem eines Geiers ähnlich —, dessen (An-) Blick den Erzähler zur Weißglut treibt. Innerhalb einer Woche steigert sich die Aversion in einem Maße, daß der Protagonist zur Wahnsinnstat getrieben wird, um den Leichnam anschließend überlegt & sehr rational unter dem Dielenboden zu verstecken sowie alle Spuren zu verwischen. Die Polizisten, durch Schreie alarmiert, finden nichts, woraufhin der Erzähler im selbstgefälligen Gefühl der Sicherheit die Polizisten in ein Gespräch verwickelt, in dessen Verlauf er den Herzschlag des Alten lauter und lauter aus den Dielen heraus zu hören glaubt. Vom anschwellenden Schlagen des Herzens zur Verzweiflung getrieben gesteht er schließlich den Mord.

Luca setzte das Thema in der Form eines typografisch inszenierten, dreidimensionalen Objektes um. Während des Lesevorgangs folgt der Betrachter der Faltanleitung und knickt das im Format DIN A3 bedruckte Blatt so lange, bis sich am Ende ein abstrahiertes, dreidimensionales – eben das verräterische – Herz ergibt.

Fotos: Nico Janson
Unikatbuch (4. Semester): Katrin Eder

Wie schon im vorangegangenen Beitrag findet sich auch hier in der Arbeit von Katrin Eder die Geschichte »Das Fass Amontillado« von Edgar Allan Poe als Unikatbuch umgesetzt. Katrin Eder schuf hierfür ein Objekt, das den langen, unheilvollen Weg in den dunklen Keller des Palazzo und schließlich in das Verderben verdeutlicht.

Das dreidimensionale Objekt vertieft sich in Stufenform. Dabei ist die Geschichte — akkurat in der Proxima Nova gesetzt — in sorgfältigem Satzspiegel Seite für Seite in Stufenform angeordnet. Die Seiten werden von Stufe zu Stufe immer dunkler und das Objekt von Stiege zu Stiege immer tiefer. Auf den Erhöhungen respektive Zwischenelementen befinden sich dabei, stichpunktartig arrangiert, die Gedanken des Protagonisten Montresor wieder, die im Laufe der Geschichte immer düsterer werden und ihren Höhepunkt im Mord des (insgeheim verhassten) »Freundes« finden.

Der Leser, die Leserin muss gewissermaßen im Akt des Lesens den unkomfortablen Weg der beiden Männer verfolgen und den unaufhaltsamen Niedergang nachvollziehen — eine eindrückliche und in Buchform kaum je zuvor erlebte Immersion!

Fotos: Nico Janson
Unikatbuch (4. Semester): Sonja Melior

Sonja Melior hat sich bei ihrem Unikatbuch für die Geschichte »Ein Fass Amontillado« von Edgar Allan Poe entschieden, um eben diese kurze Geschichte typografisch-experimentell umzusetzen. Darin lockt der Protagonist Montrésor den verhassten Fortunato — der vom Hass Montrésors nichts ahnt —, in die weitläufigen Gewölbe und Keller unter seinem Palazzo, sperrt und mauert ihn dort als Rache für erlittene »tausendfältige Unbill« lebendig ein. Lockmittel in die Tiefe ist das namensgebende Fass Amontillado (ein erlesener Sherry), das dort unten angeblich lagert und begutachtet werden soll. Im Laufe der Geschichte steigen beide immer tiefer in das zunehmend dunkler werdenden Gewölbe hinab. Parallel dazu wird auch die Unterhaltung beider peu-à-peu unheilschwanger, die Stimmung wird immer düsterer und die Absichten des Ich-Erzählers Montrésors immer diabolischer, bis es zum finalen Einmauern, somit zum Mord kommt.

Diesem Bogen der Verdichtung zeichnet Sonja Melior sowohl mit ihrer buchgestalterischen als auch mit der typografischen Struktur nach. Die Seiten des Buches nehmen zunehmend an Gewicht zu, bis sie schließlich in einem massiven Holzblock enden. Die Textstruktur verdichtet sich, verliert die Lesbarkeit und bildet eine totbringende, undurchdringliche und bedrückende Mauer.

Das ganze Buch ist in einer schwarzen Kassette untergebracht, die diesen Effekt nochmals verstärkt. Höchst gelungen.

Fotos: Sonja Melior, Philipp Von Soden
Typografie (1. Semester): Alina Seidemann

Der Aufgabe, die Begriffe »laut« und »leise« typografisch-künstlerisch umzusetzen, widmete sich Alina Seidemann auf zweifache Weise. Zum einen setzte sie den übergreifenden Gedanken GOOD TINGS TAKE TIME in laut wirkenden Großbuchstaben, in der Art aufklappbarer, ins Papier geschnittener Versalien einer serifenlosen, fetten Schrift. Dahinter, nach dem Aufklappen sichtbar, sind englische Begriffe aus der Typografie in kleiner Schriftgröße und ausnehmend in Kleinbuchstaben zu sehen.

Begriffe wie »spacing«, »kerning« oder »tracking« und »typesize« verweisen hier auf einer zweiten, thematischen Ebene auf die sorgsame, langwierige, mitunter subtil und somit »leise« wirkende typografische Arbeit – diese Arbeit ist filigran, unverzichtbar für Qualität (GOOD THINGS) und braucht neben fundierten Kenntnissen eben auch ihre Zeit (TAKE TIME).

Fotos: Alina Seidemann
Drei Wochen als Gastprofessorin an der Hunan Normal University in China
08.–26. Mai 2023

Der Kurs »Typography 3« ist Teil des internationalen Studienprogramms zwischen der Hunan Normal University in Changsha (China) und der mdh (Mediadesign Hochschule). Ziel dieses Kurses ist es, den chinesischen Studierenden Einblick in typografische Grundlagen und westliches Layout zu geben – Studierenden, die völlig anderen kulturellen und künstlerisch-grafischen Traditionen entstammen und, natürlich, vor allem einem anderen fremden Schriftraum! Coronabedingt hatte der Kurs zwei Jahre nur online stattgefunden. In diesem Jahr sollte der Kurs vor Ort sein. Anfang Mai bin ich dann mit durchaus gemischten Gefühlen – hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und Zweifeln – in München in den Flieger gestiegen. Zwei Umstiege und 22 Stunden später kam ich schließlich in Changsha an.

Changsha, Hauptstadt der Provinz Hunan, ist verglichen mit anderen asiatischen Großstädten mit circa 10 Millionen Einwohnern eher durchschnittlich groß. Für mich war das zunächst etwas beeindruckend.

Die Hunan Normal University (Department Fine Arts)

Das Departement »Fine Arts«, an dem ich unterrichten sollte, war sehr gut ausgestattet und vermag es — wie ich sehr schnell feststellte — auch in verschiedensten Disziplinen durch designerische Qualität zu überzeugen. Von Beginn an gab es im Gebäude Ausstellungen zu sehen, die während meines über dreiwöchigen Aufenthaltes mehrmals wechselten und mit sehr viel Sorgfalt und Bedacht kuratiert waren. Der Leiter der Hochschule Li Shaobo ist ein sehr bekannter chinesischer Schrift-Designer, der ein überzeugendes Oeuvre vorweisen kann. Es war eine bereichernde Erfahrung, als ich einmal an einer seiner Präsentationen als Zuhörer teilnehmen durfte.

Mein eigener Kurs setzte sich aus 105 Studierenden zusammen, die nach der Vorlesung von einem Professorinnen- und Professorenteam begleitet wurden. Das erste Seminar von dreien war meines. Die Vorlesung fand auf Englisch statt und wurde von einem Übersetzer ins Chinesische übertragen. Ganz nach deutscher Manier sehr gut auf die Vorlesung vorbereitet, hatte ich natürlich Karteikarten mit ausgearbeiteten Notizen erstellt. Dies führte zunächst zu einer gewissen Steifheit. Da die Zusammenarbeit mit meinem Übersetzer Ray aber so gut funktionierte konnten wir zunehmend frei agieren. Spaß gemacht hat mir insbesondere der direkte Kontakt mit den Studierenden.

Mit der Zeit wurde mir mehr und mehr bewusst, was es bedeutet, sich in ein komplett anderes Schriftsystem einzuarbeiten. Zeichen sind eng an Sprache gebunden. Wird diese nicht verstanden, so sind Schriftzeichen zunächst nur grafische Formen. Dies mag eine kreative grafische Spielwiese eröffnen, dient aber nicht der Vermittlung von Inhalten. An der Stelle muss ich ein großes Lob an die Studierenden aussprechen, die sich in dieses andere System eingearbeitet haben und ungeachtet der Sprachbarriere sehr interessante typografische Layouts entwickeln konnten.

Lost in Translation

Diese Schwierigkeiten waren beiderseits, denn nicht selten war ich recht verloren bzw. »lost in translation«. Ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache war das Eintrittsportal des buddhistischen Tempels eine fast unüberwindliche Hürde, ohne jegliche Lesefähigkeit hinsichtlich der chinesischen Schriftzeichen war der Besuch des Supermarktes ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, dem unwägbaren Risiko der Nutzung einer Metro wollte ich mich erst gar nicht aussetzen. Da Changsha abseits der großen Touristenströme aus dem Westen liegt, findet man praktisch keinerlei Beschilderung auf englisch oder in lateinischer Schrift. Außerhalb des Universitätsumfeldes bin ich tatsächlich keinem einzigen Menschen begegnet, der westlich aussah. Es ist auch eine eigentümliche und sehr interessante Erfahrung, »der bzw. die Andere« zu sein.

Was bleibt

In der Nachbetrachtung fällt mein Urteil über den Aufenthalt in China sehr positiv aus. Hervorragendes Essen, sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, sehr nette Kolleginnen und Kollegen, in einem wirklich sehenswerten Land. Allein schon die nächtliche Skyline von Changsha mit ihrer orchestrierten, farblich wechselnden Bespielung macht enormen Eindruck.

Besonders berührt hat mich der Text einer Studentin aus meinem Kurs, die in der Einleitung der abschließenden Kursarbeit schrieb: »Although we come from different countries and speak different languages, the art of typesetting brings us closer. […] Although the workload during the process was indeed something I had never encountered before, over the course of three weeks, I finally overcame numerous difficulties and broke through myself.«

Fotos: Studierende und ProfessorInnen der HNU, Prof. Sybille Schmitz
Freie Schriftarbeit (1. Semester): Olivia Böhm

Aufgabe der freien Schriftarbeit im ersten Semester war es gewesen, eine eigenständige Schrift künstlerisch oder kalligrafisch zu entwickeln. Ausgangspunkt dafür stellten die Großbuchstaben römischen Ursprungs dar.

Olivia Böhm entschied sich für die Darstellung des Wortes »Akzidenzien«. Der Begriff bedeutet soviel wie Auszeichnung – ein Begriff, der im Buchdruck früher etwas Besonderes, etwas von der alltäglichen Norm abweichendes bezeichnet hat. Und so weicht auch ihr Wort von der Norm ab: die einzelnen Buchstaben sind kunstvoll aus Papier gefaltet und weisen mehrere unterschiedliche Papierfarben und -lagen auf. Auf diese Art und Weise lässt die Studentin einen dreidimensionalen, frühlingshaft anmutenden Schriftzug entstehen. Die einzelnen Zeichen unterscheiden sich jeweils durch Falttechnik und Farben. Das Wort selbst ist Blatt für Blatt zu einem Leporello zusammengefasst. Passend zu den ersten Frühlingstagen strahlt diese Arbeit aus dem ersten Semester eine beseelte, verspielte Heiterkeit aus.

Fotos: Sybille Schmitz