Stehsatz

Freie Schriftarbeit (1. Semester): William Kirchinger
Freie Schriftarbeit  (1. Semester): William Kirchinger
The W – vielfältige Annäherung an tradierte Initialienentwicklung

In seiner freien Schriftarbeit »the W« zeichnete William eine Initiale nach den etablierten Regeln des Handlettering. In der tatsächlichen Anwendung ging er dabei zwei sehr gegensätzliche Wege. Er druckte sein Zeichen unter Zuhilfenahme eines vorab gefertigten Magnesiumklischees in unserer Buchdruckwerkstatt in Blau mit dezenten Goldelementen. Darüber hinaus erstellte er eine Schablone für seine groß dimensionierte Graffiti-Anwendung. Mit Hilfe dieser sprühte er ein helles Kreidespray auf dunklen Boden. Beide Darstellungsformen sind einerseits völlig gegensätzlich in Herstellung, Darbietung und Material, andererseits ergänzen sie sich gut und illustrieren die Schriftarbeit auf verschiedenen Ebenen. Beide Formen sind auf jeden Fall & im besten Sinne gelungen.

Fotos: Lucas Wurzacher, Sofia Gronard, Sybille Schmitz
Freie Schriftarbeit (1. Semester): Antonia Aschenbrenner

Mit breiten Markern und spielerischer Leichtigkeit komponiert Antonia Aschenbrenner ihre Kalligrafie-Blätter. Starke Wechselzüge, freie Schwünge und lockere Reihungen lassen ein interessantes Schriftgeflecht bis hin zur radikalen Verdichtung erwachsen. Die Lesbarkeit der Schrift geht mit zunehmender Verdichtung zu einem die eigentliche Rhythmik der Kalligrafie visualisierenden Gewebe über. Paradoxerweise tritt beim Betrachter der Wunsch, die Sätze Wort für Wort zu entziffern in den Hintergrund und überlässt dem reinen Empfinden des harmonischen Gesamteindrucks den Vortritt. Das Ergebnis sind zwei beeindruckende Studien.

Fotos: Janina Engel
*30.11.1933 – † 03.06.2018
»Zum Andenken an unseren Mentor Peter Gericke – Schriftkünstler, Lithograf, Typograf & Freund«

Eine »karge Auswahl« an Klingsporlettern war im September 2011 der Auslöser einer für mich persönlich wie auch für die Werkstatt schicksalhaften Begegnung. Die Handvoll Lettern, die ich auf dem Obermenzinger Flohmarkt zusammen mit allerlei Gerümpel darbot, sind Peter Gerickes Adleraugen nicht entgangen, sie haben seine Neugier geweckt, es entspann sich sogleich ein Gespräch und unverhofft war ein Kontakt hergestellt, der fortan prägend sein sollte.

Bald war Peter Gericke mein Mentor, der auf schier unerschöpfliches Wissen zurückgreifen konnte, charmanter Ratgeber und nicht zuletzt war er mit seiner ansteckenden Begeisterung ein entscheidender Antrieb in der schwierigen und von viel Unsicherheit begleiteten Phase der ersten Werkstattjahre. Elementarer Teil seiner unbedingten Hingabe an die Sache war auch, dieses Wissen mit Freude weiterzugeben. So gab er bereits zwei Monate, nachdem wir uns getroffen hatten, seine ersten Kurse an der MD.H.

In seinem Initialenkurs etwa verfolgten die Studierenden des digitalen Zeitalters staunend den langen Weg vom Entwurf der Initiale bis hin zum fertigen Druckwerk auf der Handpresse. Der Schriftlithograf ließ dabei die Studierenden frei, also zunächst ohne restriktive Vorgaben arbeiten. Durch systematische Variation, gezielte Korrekturen und zahlreiche immer wieder verworfene Ideen, fanden viele sanft geleitet ihre ganz individuelle, eigene Ausdrucksform. Meister Gericke nahm sich dabei stets die notwendige Zeit, ohne, wie es in der heutigen höchst arbeitsteiligen Welt notwendig scheint, in Zeitfenstern gedrängt zu agieren. Er ließ keine Frage unbeantwortet, die Sache an sich, die Qualität des Ergebnisses waren das Maß der Dinge, das Maß des Tuns. Eine im allerbesten Sinne »altmodische« Einstellung.

Zudem hatte der stets charmant, mit Haltung auftretende Meister immer anregende und heitere Anekdoten zu erzählen aus seinem Leben, das stets geprägt durch Schrift, Sprache und – damit verbunden – Typografie war. So wurde also in den Kursen des bald 80-jährigen Lehrers und der jungen Studenten vergnügt gezeichnet, ausgelassen gelacht und angeregt parliert, was jeden Kurstag zu einem Erlebnis machte und darüberhinaus eine wunderbare Sammlung an Initialen hervorbrachte – selbstverständlich meisterlich korrigiert.

Peter Gericke unterstützte uns in den vielfältigen Belangen der Handsatzwerkstatt. Nicht selten war er dabei der Retter, stets zur rechten Zeit herbeieilend, das fehlende Achtel ergänzend und, nur sanft tadelnd, die Schieflagen gerade rückend. So ergänzte er zum Beispiel im Jahre 2014 bei der Weihnachtsaktion etliche fehlende Buchstaben der Plakatschrift  – indem er kurzerhand neue Lettern von Hand schnitt.

Zusammen organisierten wir eine Menge an Schriften und Werkstattausstattung, stets unterstütze er bei deren Evaluation sowie Transport und sorgte so für den heutigen, beachtlichen Bestand.

Sieben Jahre unterrichtete Peter Gericke an der Mediadesign Hochschule und begeisterte mit seiner Menschlichkeit, seiner Geduld, seinem enormen Können in Schriftgestaltung, Handsatz und Druck. Er war die gute Seele unserer Werkstatt. Sein Motto »Ich halte nichts davon, alles für mich zu behalten, dann geht es verloren« ist uns nunmehr Verpflichtung, die Fackel weiter zu tragen.

Am 3. Juni 2018 ist Peter Gericke nach langer Krankheit zu Hause gestorben – ein einzigartiger Mensch, ein beseelter Lehrer, ein wahrer Meister. Er wird uns fehlen. Er fehlt uns schon jetzt. Danke für alles!

Stimmen von Kursteilnehmenden

»Es fällt mir schwer auszudrücken, wie sehr ich es schätze, Herrn Gericke kennengelernt zu haben, ohne dabei pathetisch zu klingen. Egal ob in Venedig auf Studienreise mit beindruckender Kondition oder als unser Lehrmeister bei verschiedenen Kursen an der Hochschule: so zurückhaltend und leise er mit uns Studierenden dabei auch sprach, jeder Satz und jeder Strich mit dem Bleistift waren von höchster Präzision und lehrte uns Demut und Respekt vor seiner Geduld, Erfahrung und seiner großen Klasse als Schriftlithograf. Herr Gericke wird uns fehlen.« (Jakob Kreitner)

»Es brachte ihm stets Freude und Erfüllung mit kreativen und eifrigen Menschen (Studenten) zusammenzuarbeiten. Ich habe viel von ihm gelernt und werde die Zeit mit ihm in Erinnerung halten.« (Dani Ibler)

»Herr Gericke, wie ich ihn in Erinnerung behalte. Ein Mann der Schrift und der Heiterkeit. Vertieft im Wesen der Buchstaben, wohlgelaunt und geduldig. Neugierig, dem Leben zugewandt und heiter beteiligt am Schaffen vieler junger Studenten. Möge er noch lange im Geiste diesen Einfluss auf unser Bewusstsein ausüben. Danke vielmals Herr Gericke.« (Paul Kistner)

»Herr Gericke, Sie sind kein Mann der großen Worte. Dafür aber ein Mann der großen Taten und mit einem großen Herzen. Bis zum Schluss, waren Sie stets bemüht Ihrer Leidenschaft und Berufung der Schriftkunst nachzugehen und diese jungen Menschen wie uns zu vermitteln. Dafür möchte ich Ihnen danken.« (Tatjana Medvedev)

Fotos: Jakob Kreitner, Sybille Schmitz
Projekt Signaletik
Grafische Zeichen 2. Semester: Janina Engel, Dorothée Martin, Nico Janson

Für das Redesign der Signaletik der MD.H München haben sich Dorothée, Nico und Janina ausführlich mit den Initialen der Mediadesign Hochschule auseinandergesetzt. Grundvoraussetzung war es, die Idee des derzeitigen Logos beizubehalten, aber eine modernere Gestaltung mit neuen Formen zu entwickeln. Die Zeichen haben sich aus den Grundformen der Gestaltung ergeben. Kreis, Linie und Dreieck finden sich in der Signaletik wieder. Daraus entstehen abstrakte Zeichen die jeden Fachbereich widerspiegeln sollen. Jedes Zeichen beinhaltet die Grundlagen der bildnerischen Gestaltung. Die Harmonie des Kreises, die Dynamik der Linie und die Flexibilität des Dreiecks. Design ist ein Platz für Vielfalt, Dynamik, Kommunikation und Innovation. Unsere Zeichen sollen zur Kreativität inspirieren.

Das beinhaltet Stehsatz #3

Farbe, Form, Struktur, Kultur und Subkultur, Schrift in Anordnung und Auflösung und die Entwicklung von Kalligrafie prägen die Ausgabe unseres Magazins Stehsatz, das wieder pünktlich zum Semesteranfang erscheint.

In der Rubrik »Blick über den Tellerrand« beantwortet uns der renommierte Schweizer Gestalter Niklaus Troxler unter anderem die viel diskutierte Frage, was den Designer in Zeiten der »Digital Natives« ausmacht. Inspiration für alle passionierten Gestalter gibt es zudem vom Luzerner Gestaltungsbüro Studio Feixen.

Das bereichernde Spannungsfeld zwischen Etabliertem und Subkultur führt unsere Stu­die­renden in abgelegene Orte Münchens, nach Dresden und nach Lissabon.

Von »Studenten für Studenten« legt in diesem Jahr seinen Fokus auf das Thema Auslandsaufenthalt. So berichten die Media Design Studentinnen Anna und Lilian von ihren Praktika in Singapore und Barcelona, die jungen Designerinnen Mia Stevanovic und Maria Weiss erzählen über Studienerinnerungen sowie aus ihrem derzeitigen Leben in den europäischen Metropolen Amsterdam und Zürich.

Die Rubrik Bleisatz beschreibt ­Arbeiten, Persönlichkeiten und besondere Arbeitsweisen unserer Münchner Hand­satz­werkstatt.

Abgerundet wird unser Magazin wieder durch den Showcase, der mit Murmur, Dazzle Camouflage und der Analyse zur Janson-Antiqua einige niveauvolle Studentenprojekte portraitiert.

Fotos: Boris Braunstorfinger
Die freie Schriftarbeit
Typografie (1. Semester): Janina Engel

»Nichts ist inspirierender als ein weißes Blatt Papier. Es hat die Chance etwas Einzigartiges zu kreieren.« Bartle Bogle Hegarty (BBH)

Das Ziel dieser Arbeit war es, durch einfache Verbindungen die Charaktere der Buchstaben unterschiedlich zu verändern. Durch die Kombination mehrerer Punkte mit Linien entstand eine Art Fächerlegung, die den Buchstaben eine kraftvolle Wirkung gab. Inspiriert von den Arbeiten von Jérôme Corgier, der aus unterschiedlichsten Materialen erstaunliche 3D Buchstaben baut, entschied ich mich diese Fächerlegung an den Formen der 26 Grundzeichen des Alphabetes zu erproben.

Aus meiner Versuchsreihe entstand ein dynamisches Gesamtbild, in dem jeder Buchstabe eine interessante und erhobene Haptik bekam. Durch unterschiedliche Anwendung dieser Fächerlegung hat jeder Buchstabe des Alphabets eine einzigartige Gestalt angenommen.

Freie Schriftarbeit (1. Semester): Hannah-Marie Schimanski

Die Inspiration zu meiner Schriftarbeit fand ich in dem Spiel zwischen Licht und Schatten. Durch das mittige Falzen der geplotteten Papierbuchstaben ergibt sich die Basis der Arbeit. Mittels des senkrechten Aufstellens der oberen Hälfte des Papieres, sowie passender Beleuchtung, ergibt sich die Licht-Schatten-Komposition, welche schlussendlich einen vollständigen Buchstaben zeigt.

Freie Schriftarbeit 1. Semester: Peter Eisner

Plakative Farbkontraste und reduzierte Grundformen kennzeichnen die handwerkliche Annäherung Peter Eisners an das Thema Schriftgestaltung. Er reduzierte dabei markante Buchstaben wie O, C, A, B um ihre Innenräume, um so den Fokus des Betrachters auf die Gesamtform zu lenken. Das Spiel zwischen den Farben Schwarz und Rot verhilft dem Alphabet zu seiner expressiven Anmutung.

Die eindrückliche Wirkung auf den Betrachter erinnert an die Ästhetik der 1920er Jahre Avantgarde, und wirkt dennoch nicht zuletzt durch die Dreidimensionalität evozierenden Farbverläufe, die an moderne digitale Optik anknüpfen, aktuell und gleichzeitig entrückt.

Kalligrafie 1. Semester: Nicolas Janson

Rapper’s Delight von der Sugarhillgang ist ein Hip Hop Song, in dem die Interpreten scheinbar zufällig gewählte Worte im Takt der Musik sprechen. Die Worte vermischen sich zu einer stimmig klingenden Melodie. Aus diesem Grund habe ich den Text dieses Liedes gewählt, um die von mir entwickelte Schrift zu präsentieren.

Die Schrift hat einen freien, handschriftlichen Charakter und ist mit weißem Edding auf Glas geschrieben. Der lockere Schwung und die Ungezwungenheit verkörpern den Geist des Hip Hop. Durch den nicht vorhandenen Zeilenabstand verschmelzen die einzelnen Worte zu einem stimmigen Ganzen, das eigentlich weniger wie ein Text sondern mehr wie rhythmisch angeordnete weiße Striche wirkt.

»RE SIGN« RE MADE
Kevin Kremer

Die Arbeit zielt darauf ab, durch systematische Dekonstruktion und anschließende Neukombination, die erlernte Darstellungsweise und Erfassbarkeit eines Buchstabens in Frage zu stellen. Es sollen die Grenzbereiche der Wahrnehmung einer Form in Bezug auf deren Erkennbarkeit als Schriftzeichen der abendländischen Schriftkultur erforscht werden.

Wann tritt der Punkt der »Nicht-Erkennbarkeit« einer Form als Schriftzeichen ein? Wie weit kann man die Gewohnheiten des Betrachters in Bezug auf die erlernte Darstellungsweise eines Schriftbildes ausreizen, um ein Schriftzeichen als solches unerkennbar zu machen? Wann tritt der Zeitpunkt der Trennung von erlernter Form und Funktion eines Schriftzeichens ein?

Das Ergebnis dieser visuellen Untersuchung ist eine Reihung an Formzeichen, ausgehend vom bekannten Schriftbild, hin zu einer stark abgeänderten Darstellungsweise.

So weit so gut. Jedoch hatte ich bei der grafischen Ausarbeitung der Konzeption stets ein mulmiges Gefühl. Ich ging einfach nicht zu einhundert Prozent d‘accord mit dem, was dann schlussendlich als Ergebnis vor mir lag: ein 700 Seiten umfassender Wälzer, der durch seine bloße Größe schon dazu geeignet wäre, die Leser zu erschlagen. Also: noch mal. So habe ich mich in den letzten Wochen dazu durchgerungen jede. einzelne. Seite. noch einmal zu gestalten. Dieses mal anders: kleineres Format, weniger sachlich und deutlich reizvoller. Das Ergebnis ist ein 800 Seiten umfassendes Werk, das erstaunlich gut in eine Hand passt und zudem auch noch stilvoll in einem Schuber aufbewahrt werden kann.