*30.11.1933 – † 03.06.2018
»Zum Andenken an unseren Mentor Peter Gericke – Schriftkünstler, Lithograf, Typograf & Freund«
Eine »karge Auswahl« an Klingsporlettern war im September 2011 der Auslöser einer für mich persönlich wie auch für die Werkstatt schicksalhaften Begegnung. Die Handvoll Lettern, die ich auf dem Obermenzinger Flohmarkt zusammen mit allerlei Gerümpel darbot, sind Peter Gerickes Adleraugen nicht entgangen, sie haben seine Neugier geweckt, es entspann sich sogleich ein Gespräch und unverhofft war ein Kontakt hergestellt, der fortan prägend sein sollte.
Bald war Peter Gericke mein Mentor, der auf schier unerschöpfliches Wissen zurückgreifen konnte, charmanter Ratgeber und nicht zuletzt war er mit seiner ansteckenden Begeisterung ein entscheidender Antrieb in der schwierigen und von viel Unsicherheit begleiteten Phase der ersten Werkstattjahre. Elementarer Teil seiner unbedingten Hingabe an die Sache war auch, dieses Wissen mit Freude weiterzugeben. So gab er bereits zwei Monate, nachdem wir uns getroffen hatten, seine ersten Kurse an der MD.H.
In seinem Initialenkurs etwa verfolgten die Studierenden des digitalen Zeitalters staunend den langen Weg vom Entwurf der Initiale bis hin zum fertigen Druckwerk auf der Handpresse. Der Schriftlithograf ließ dabei die Studierenden frei, also zunächst ohne restriktive Vorgaben arbeiten. Durch systematische Variation, gezielte Korrekturen und zahlreiche immer wieder verworfene Ideen, fanden viele sanft geleitet ihre ganz individuelle, eigene Ausdrucksform. Meister Gericke nahm sich dabei stets die notwendige Zeit, ohne, wie es in der heutigen höchst arbeitsteiligen Welt notwendig scheint, in Zeitfenstern gedrängt zu agieren. Er ließ keine Frage unbeantwortet, die Sache an sich, die Qualität des Ergebnisses waren das Maß der Dinge, das Maß des Tuns. Eine im allerbesten Sinne »altmodische« Einstellung.
Zudem hatte der stets charmant, mit Haltung auftretende Meister immer anregende und heitere Anekdoten zu erzählen aus seinem Leben, das stets geprägt durch Schrift, Sprache und – damit verbunden – Typografie war. So wurde also in den Kursen des bald 80-jährigen Lehrers und der jungen Studenten vergnügt gezeichnet, ausgelassen gelacht und angeregt parliert, was jeden Kurstag zu einem Erlebnis machte und darüberhinaus eine wunderbare Sammlung an Initialen hervorbrachte – selbstverständlich meisterlich korrigiert.
Peter Gericke unterstützte uns in den vielfältigen Belangen der Handsatzwerkstatt. Nicht selten war er dabei der Retter, stets zur rechten Zeit herbeieilend, das fehlende Achtel ergänzend und, nur sanft tadelnd, die Schieflagen gerade rückend. So ergänzte er zum Beispiel im Jahre 2014 bei der Weihnachtsaktion etliche fehlende Buchstaben der Plakatschrift – indem er kurzerhand neue Lettern von Hand schnitt.
Zusammen organisierten wir eine Menge an Schriften und Werkstattausstattung, stets unterstütze er bei deren Evaluation sowie Transport und sorgte so für den heutigen, beachtlichen Bestand.
Sieben Jahre unterrichtete Peter Gericke an der Mediadesign Hochschule und begeisterte mit seiner Menschlichkeit, seiner Geduld, seinem enormen Können in Schriftgestaltung, Handsatz und Druck. Er war die gute Seele unserer Werkstatt. Sein Motto »Ich halte nichts davon, alles für mich zu behalten, dann geht es verloren« ist uns nunmehr Verpflichtung, die Fackel weiter zu tragen.
Am 3. Juni 2018 ist Peter Gericke nach langer Krankheit zu Hause gestorben – ein einzigartiger Mensch, ein beseelter Lehrer, ein wahrer Meister. Er wird uns fehlen. Er fehlt uns schon jetzt. Danke für alles!
Stimmen von Kursteilnehmenden
»Es fällt mir schwer auszudrücken, wie sehr ich es schätze, Herrn Gericke kennengelernt zu haben, ohne dabei pathetisch zu klingen. Egal ob in Venedig auf Studienreise mit beindruckender Kondition oder als unser Lehrmeister bei verschiedenen Kursen an der Hochschule: so zurückhaltend und leise er mit uns Studierenden dabei auch sprach, jeder Satz und jeder Strich mit dem Bleistift waren von höchster Präzision und lehrte uns Demut und Respekt vor seiner Geduld, Erfahrung und seiner großen Klasse als Schriftlithograf. Herr Gericke wird uns fehlen.« (Jakob Kreitner)
»Es brachte ihm stets Freude und Erfüllung mit kreativen und eifrigen Menschen (Studenten) zusammenzuarbeiten. Ich habe viel von ihm gelernt und werde die Zeit mit ihm in Erinnerung halten.« (Dani Ibler)
»Herr Gericke, wie ich ihn in Erinnerung behalte. Ein Mann der Schrift und der Heiterkeit. Vertieft im Wesen der Buchstaben, wohlgelaunt und geduldig. Neugierig, dem Leben zugewandt und heiter beteiligt am Schaffen vieler junger Studenten. Möge er noch lange im Geiste diesen Einfluss auf unser Bewusstsein ausüben. Danke vielmals Herr Gericke.« (Paul Kistner)
»Herr Gericke, Sie sind kein Mann der großen Worte. Dafür aber ein Mann der großen Taten und mit einem großen Herzen. Bis zum Schluss, waren Sie stets bemüht Ihrer Leidenschaft und Berufung der Schriftkunst nachzugehen und diese jungen Menschen wie uns zu vermitteln. Dafür möchte ich Ihnen danken.« (Tatjana Medvedev)
Fotos: Jakob Kreitner, Sybille Schmitz