Drei Wochen als Gastprofessorin an der Hunan Normal University in China
08.–26. Mai 2023
Der Kurs »Typography 3« ist Teil des internationalen Studienprogramms zwischen der Hunan Normal University in Changsha (China) und der mdh (Mediadesign Hochschule). Ziel dieses Kurses ist es, den chinesischen Studierenden Einblick in typografische Grundlagen und westliches Layout zu geben – Studierenden, die völlig anderen kulturellen und künstlerisch-grafischen Traditionen entstammen und, natürlich, vor allem einem anderen fremden Schriftraum! Coronabedingt hatte der Kurs zwei Jahre nur online stattgefunden. In diesem Jahr sollte der Kurs vor Ort sein. Anfang Mai bin ich dann mit durchaus gemischten Gefühlen – hin- und hergerissen zwischen Vorfreude und Zweifeln – in München in den Flieger gestiegen. Zwei Umstiege und 22 Stunden später kam ich schließlich in Changsha an.
Changsha, Hauptstadt der Provinz Hunan, ist verglichen mit anderen asiatischen Großstädten mit circa 10 Millionen Einwohnern eher durchschnittlich groß. Für mich war das zunächst etwas beeindruckend.
Die Hunan Normal University (Department Fine Arts)
Das Departement »Fine Arts«, an dem ich unterrichten sollte, war sehr gut ausgestattet und vermag es — wie ich sehr schnell feststellte — auch in verschiedensten Disziplinen durch designerische Qualität zu überzeugen. Von Beginn an gab es im Gebäude Ausstellungen zu sehen, die während meines über dreiwöchigen Aufenthaltes mehrmals wechselten und mit sehr viel Sorgfalt und Bedacht kuratiert waren. Der Leiter der Hochschule Li Shaobo ist ein sehr bekannter chinesischer Schrift-Designer, der ein überzeugendes Oeuvre vorweisen kann. Es war eine bereichernde Erfahrung, als ich einmal an einer seiner Präsentationen als Zuhörer teilnehmen durfte.
Mein eigener Kurs setzte sich aus 105 Studierenden zusammen, die nach der Vorlesung von einem Professorinnen- und Professorenteam begleitet wurden. Das erste Seminar von dreien war meines. Die Vorlesung fand auf Englisch statt und wurde von einem Übersetzer ins Chinesische übertragen. Ganz nach deutscher Manier sehr gut auf die Vorlesung vorbereitet, hatte ich natürlich Karteikarten mit ausgearbeiteten Notizen erstellt. Dies führte zunächst zu einer gewissen Steifheit. Da die Zusammenarbeit mit meinem Übersetzer Ray aber so gut funktionierte konnten wir zunehmend frei agieren. Spaß gemacht hat mir insbesondere der direkte Kontakt mit den Studierenden.
Mit der Zeit wurde mir mehr und mehr bewusst, was es bedeutet, sich in ein komplett anderes Schriftsystem einzuarbeiten. Zeichen sind eng an Sprache gebunden. Wird diese nicht verstanden, so sind Schriftzeichen zunächst nur grafische Formen. Dies mag eine kreative grafische Spielwiese eröffnen, dient aber nicht der Vermittlung von Inhalten. An der Stelle muss ich ein großes Lob an die Studierenden aussprechen, die sich in dieses andere System eingearbeitet haben und ungeachtet der Sprachbarriere sehr interessante typografische Layouts entwickeln konnten.
Lost in Translation
Diese Schwierigkeiten waren beiderseits, denn nicht selten war ich recht verloren bzw. »lost in translation«. Ohne Kenntnisse der chinesischen Sprache war das Eintrittsportal des buddhistischen Tempels eine fast unüberwindliche Hürde, ohne jegliche Lesefähigkeit hinsichtlich der chinesischen Schriftzeichen war der Besuch des Supermarktes ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, dem unwägbaren Risiko der Nutzung einer Metro wollte ich mich erst gar nicht aussetzen. Da Changsha abseits der großen Touristenströme aus dem Westen liegt, findet man praktisch keinerlei Beschilderung auf englisch oder in lateinischer Schrift. Außerhalb des Universitätsumfeldes bin ich tatsächlich keinem einzigen Menschen begegnet, der westlich aussah. Es ist auch eine eigentümliche und sehr interessante Erfahrung, »der bzw. die Andere« zu sein.
Was bleibt
In der Nachbetrachtung fällt mein Urteil über den Aufenthalt in China sehr positiv aus. Hervorragendes Essen, sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, sehr nette Kolleginnen und Kollegen, in einem wirklich sehenswerten Land. Allein schon die nächtliche Skyline von Changsha mit ihrer orchestrierten, farblich wechselnden Bespielung macht enormen Eindruck.
Besonders berührt hat mich der Text einer Studentin aus meinem Kurs, die in der Einleitung der abschließenden Kursarbeit schrieb: »Although we come from different countries and speak different languages, the art of typesetting brings us closer. […] Although the workload during the process was indeed something I had never encountered before, over the course of three weeks, I finally overcame numerous difficulties and broke through myself.«
Fotos: Studierende und ProfessorInnen der HNU, Prof. Sybille Schmitz